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Die gute alte Zeit - 1969

Von Xristo

Beginn einer großen Liebe - Griechenland September 1969

Meine Liebe zu den Kykladen fing an mit der Ausstellung "Architecture without architects" von Bernhard Rudovsky. Auf dem Titelbild des Katalogs sah ich die schwarzweisse Abbildung der Architektur Santorins, eine sich kaskadenartig über dem Steilhang des Kraterrande ergiessende Struktur, die mich aufwühlte. Ich war gerade im Begriff, etwas über Architektur, die Ordnung von Räumen zu lernen. Diesem Bild lag eine andere Ordnung zugrunde als die, die ich im Begriff war zu ergründen.

Die Ente, mit der ich mich auf die 3000 km lange Fahrt machte, ist lange verrostet. Die Erinnerung nicht. Obwohl ich im Jahr davor bereits Griechisches geschnuppert hatte, war es diesmal ein neuer Aufbruch. Während der Impuls zur ersten Reise aus der begeisternden Vorlesung von Prof. Konrad Hecht über die griechische Antike herrührte, war es diesmal die Sehnsucht nach dem Unbekannten, nach weisser Inselarchitktur.

Es war eine anstrengende Fahrt mit 80 km/h über den Grossglockner-Pass und langsamem aber stetigen Aufstieg am Wurzenpass. Ich campierte in Jugoslavien irgendwo im Feuchten, mit Mücken und einem Japaner namens Nobuo. Erstere fanden mich auf Anhieb, letzteren hatte ich hinter Zagreb am Autoput aufgelesen. Nabuo brachte mir bei, vor Tunneln ein Auge zu schliessen, um besser die Augen an die Dunkelheit im im Tunnel zu adaptieren. Bei unserem abendlichen Festessen mit in Nic eingekauften Konserven wurden wir von einer Schar kleiner rotznäsiger Jugoslaven umringt.

Hinter Katerini erreichte ich endlich das Meer, fand einen lauschigen wunderschönen Platz am Strand von Lithochero, gut zum Baden und Übernachten unter freiem Himmel, bewacht von zwei Hunden. Die nächste Station war Kamena Vourla. Wiedersehen mit Dimitri auf dem Campingplatz. Der Platz wurde durch die Erinnerung an die Tage vor 2 Jahren verschönt, tatsächlich aber doch etwas grau. Der erste Regen nach 5 Monaten bescherte das skurile Vergnügen, bei Regen zu schwimmen. Ich badete zum ersten Mal im Mittelmeer und konnte sogar schnorcheln. Ich fand leere Dosen und alte Schuhe, allerdings erlegte ich auch einen Fisch. Nicht sehr gross, aber ausreichend, um 3 Mitesern Appetit zu machen. Das Braten der Beute am Strand war romantischer als das Essen.

In Athen traf ich mich mit einem Freund aus Braunschweig. Wir begegneten uns in Chalandri. In einer kleinen Taverne ass ich zum ersten Mal Schnecken, die kleinen mit gestreiften Gehäusen. Angelos weiss heute noch, wo man gut isst.
Nach einem ganzen Tag in Piräus ging ich am Nachmittag, 2 Stunden vor der Abfahrt der "Minos" nach Kreta an Bord. Die Ente stellte ich auf dem Parkplatz Karaïskaki ab, direkt am Kai, von dem die Fähren nach Kreta ablegten, unabgeschlossen, wie ich nach zwei Wochen feststellte. Damals kein Problem. Heute Ist an dieser Stelle der Busbahnhof.

Das Oberdeck war noch ganz leer. Unten, im Touristendeck wimmelte es bereits von Frauen und Männern, Kindern, Soldaten, Stühlen, Kartons und Hühnern. Schon bald hatte ich mich mit zwei Schotten, angefreundet, die auf Kreta arbeiten und dann weiter nach Indien trampen wollten. Wir alle, die wir uns dann nach und nach auf dem Oberdeck zusammenfanden, hatten etwas Gemeinsames: die vor uns liegende Nacht im Schlafsack und die Ungebundenheit und Freiheit. (Bei mir allerdings wohl eher temporär). Nach der anstrengenden Fahrt war es eine Erholung, mich jetzt auf dem Deck um nichts mehr kümmern zu müssen, ausser ums Essen und Schlafen. Bei Sonnenuntergang liefen wir aus.

Kreta war nur eine Nacht weit entfernt. Neben dem Warmluftschacht des Maschinenraumes entwickelte sich ein ausgedehntes Matratzenlager. Warm eingehüllt in Schlafsäcke wurde noch bis spät in die Nacht geredet, erst noch laut, dann mit Versiegen der anderen Stimmen selbst immer leiser. Der Untergrund zittert rhythmisch mit dem Stampfen der Maschinen. Der Himmel war schwarz und klar. Ich hatte noch nie so viel Sterne gesehen.
Bei aufgehender Sonne war Kreta am Horizont zu sehen. Die Annäherung dauerte noch 2 Stunden bis wir im Hafen von Heraklion nach sehr umständlichem Manöver festmachen konnten. Diese Fahrt war das erste richtig neue Erlebnis. Die fremde Umgebung, die Gegensätze von arm und reich. Es gab 1-Bett-Kabinen und Schlafstellen, die sich wie Ketten die langen Gänge entlangzogen. Wie man sich Kojen auf einem Schiff vorstellt. Und dazu der Duft! Nicht der der grossen weiten Welt - nur Mief. Die Toiletten - wie der Mief. Frag ich bloss noch, warum man die nicht dichter schliesst. Das Waschbecken war an der Wand mit Draht befestigt. Waschen entfiel also.
I
n Heraklion besichtigte ich das kleine Museum, in dem mich die Miniaturplastiken besonders beeindruckten, die winzige Figur eines Knaben, der ins Wasser springt. Knossos - Konrad Hecht hat eine ganze Vorlesung darüber abgehalten - sah in Wirklichkeit ganz anders aus. Die Rekonstruktion von Evans beeindruckte mich sehr, obwohl ich heute solche "Wiederherstellungen" kritischer sehe.
Erst recht beindruckend war der sachte Zug entlang der Küste, mit dem ersten Bad an einer Felsenstelle, zusammen mit meinen beiden schottischen Freunden. Wir badeten angesichts eines alten Kreters, der von der Arbeit des Steinezerklopfens kaum aufschaute. In sengender Sonne mit schwarzem Kopftuch sah er sehr gravitätisch aus.
Die erste Nacht am Strand an der Straße nach Osten, eingebettet in den warmen Sand spüre ich deutlich. Die kleine Kapelle, die sich an den Felsen schmiegte, mit 2 grossen Bögen habe ich allerdings 2000 kaum wiedererkannt.

In Malia schlief ich auf dem Dach eines Hauses an der Hauptstrasse. Der Besitzer hatte im Vorgriff auf eine spätere Aufstockung bereits Wände aus Zementoli-Steinen einen Meter hoch aufgeschichtet. In diesen "Zimmern" standen einfache Feldbetten. Als er hörte, dass ich Architekt werden wollte, musste ich ihm unten im Kafeneion gleich einen Grundriss mit 8 Zimmern statt der vorhandenen 7 skizzieren. So einfach ist Architektur. Sie richtet sich einfach nach den Anforderungen des Auftraggebers. Nur mit der Bezahlung war es damals wie heute, es sollte keine geben!

Von Ag. Nikolaus soll ein Schiff nach Santorin abgehen. Wie ich dann erfuhr war es die gute alte Evangelistria. Aber so weit war es noch nicht. Agios Nikolaus, dieser kleine verschlafene Ort, kurz vor dem Erwachen zu einem Touristenzentrum, mit dem schönen Hafenrund und den vielen Kafeneions gab einen Vorgeschmack auf Wohlgefühl an kykladischen Hafenplätzen. Ich weiss nicht mehr, wo ich geschlafen habe. Nur an den Bäcker erinnere ich mich. Auf der Suche nach Brot sah ich eine dunkelhaarige Kesse mit einem Brot unter dem Arm mir entgegenkommen. So lernte ich Karl und Monika aus Hannover kennen - Karl war Architekturstudent wie ich- mit denen ich dann den ganzen Tag am Hafen verbrachte, auf die Evangelistria wartend, deren Kommen sicher war. Unsicher war lediglich der Zeitpunkt. Die Meldungen waren widersprüchlich. Ich warte gerne. Mit den beiden war es keine unausgefüllte Zeit.

Endlich nachts um 22 Uhr lief das kleine weisse Schiff ein. Die Überfahrt war recht bewegt. Frauen bekreuzigten sich, hatten Büschel mit Zitronenmelisse in der Nase, Männer lagen auf Bänken und übergaben sich seitwärts. Im nächtlichen Dunkel erreichten wir iSantorin. Wie aus dem Nichts tauchte die schwarze Silhouette der Kaldera auf. Von Fira waren in der Höhe nur ein paar Lichter zu sehen. Man wurde ausgebootet. Mir war es zu unsicher, nachts um 3 mit einem Esel einen ungewissen Weg bergauf zu reiten. Darum machte ich mich zu Fuss auf den Serpentinenweg. An einem Rondell auf halber Höhe rollte ich meinen Schlafsack aus, um den Rest der Nacht abzuwarten. Ich wollte die Ankunft in Thira bei Licht erleben. Lange geschlafen habe ich nicht. Bei Sonnenaufgang wurde ich vom Getrampel der Esel geweckt, die einer neuen Schiffsankunft entgegengetrieben wurden. So kam ich bei gleissendem klaren Morgenlicht oben im Ort an. Mit Monika und Karl wieder vereint, die irgendwo an der Kirche geschlafen hatten, fanden wir ein Bett in der Jugendherberge von Lukas, der auch das Hotel besass. Die JH bestand aus mehreren ineinander verschachtelten Höhlenhäusern, die jeweils aus zwei Abteilen bestanden , einem Vorraum und dahinter einem lichtlosen, durch Bögen abgetrennten hinterem Teil. Das Ganze irgendwie luftlos, muffig, sodass ich vorzog unter den Sternen auf der grossen Terrasse zu schlafen geplagt von lüsternen Mücken. Zu erwähnen ist, dass die Dusche 1 DRX kostete. Ein Hinweiss auf die Kostbarkeit des Wassers, dass mit Schiffen herangeschafft werden musste.

Auf Paros hatte ich die vage Verabredung mit meiner Braunschweiger Zimmernachbarin und ihrer Freundin. Vage insofern, als wir vereinbart hatten, uns am 29. September um 18°° am Hafen zu treffen. (seit 1972 bin ich mit der Dame verheiratet) .
Hier trafen sich die wenigen Touristen abends im einzigen noch geöffneten Restaurant "Evkalyptos", am Beginn der Marktstrasse. Gleich nach meiner Ankunft und erstem Bummel durch die Gassen traf ich im heutigen Internetcafe einen alten soignierten Griechen, der mir den Tipp gab, ins "Pandrossos" zu gehen. Er wohne selbst da und wolle für mich beim Besitzer ein gutes Wort einlegen, da das Hotel eigentlich schon geschlossen habe. Wir gingen zu einem kleinen Elektroladen, inv dem Kostas Silvestros sass. Nach der Führsprache meines Mentors und meinem Hinweis, dass ich noch 1 Zimmer für die beiden Mädchen benötigte, bekam ich die Zusage von Kostas, die er mir in Form einer Schallplatte machte. Das Zimmer im alten fast 70 Jahre alten Hotel "Pandrossos" kostete 25 DRX, das waren 5,00 DM! Das alte "Pandrossos", ein Komplex am Ende der Hafenbucht, im Verein mit einer der Mühlen sollte uns eine Heimat für die nächsten 10 Jahre bis zum Abriss 1979 werden. Eine grosse Freitreppe führte hinauf auf die Terrassenebene über dem Saal und Küchenblock. Auf dieser Ebene des Obergeschosses stand das Kernhaus mit der schön geschwungenen Attika und dem Schriftzug "ΠΑΝΔΡΟ&Si gma;ΣΟΣ" In diesem Frontspitz lagen 2 Staatszimmer, in einem wohnte der alte Athener, im anderen Apostoulos, ein Kapitän im Ruhestand. Ruhestand im reifen Alter von etwa 35 Jahren! Er wird uns in den folgenden Jahren immer wieder begegnen. Die anderen Zimmer waren blockweise hinter dem leicht erhöhten Kern angeordnet, durch Gänge getrennt, keine Flure, sondern aus jedem Zimmer hatte man den direkten Austritt ins Freie und den Blick zum Himmel. Auch der Weg zu Dusche und Toilette führte durchs Freie. Ich hatte Zimmer N° 16, direkt an der breiten Terrasse, mit freiem Blick über die Tamariskenreihe an der kleinen Uferstrasse, hin zur Spitze der den Hafen nach Norden abgrenzenden Landzunge, die mit dem ehemaligen Lechtturmwärterhaus und dem kleinen blau bekuppelten Kirchlein AGIOS FOKAS bekrönt war.

An der Paralia lernte ich einen weiteren älteren, grauharigen Griechen aus Athen kennen, den ich an der Badestelle bei Agios Fokas wiedertraf. Mit ihm unternahm ich einen Schnorchelgang entlang der Felsen der großen Parosbucht. Er drehte einzelne Steine um, schaute unter Felsvorsprünge und packte plötzlich blitzschnell einen etwa 50 cm langen sich achtarmig wehrenden Oktopus. Ehe ich mich versah, reichte er mir den schlängelnden Körper, um erneut zupacken zu können. Meine Unerfahrenheit mit dem Greifen eines solchen Getiers nutzte dieses weidlich aus und schlang sich mit allen Tentakeln und Saugnäpfen um meinen Oberarm. Trotzdem entging er nicht seinem Schicksal, am abend auf der Terrasse über den Kafenions an der Paralia nach hundertmaligem Ausschlagen verspeist zu werden.

Und tatsächlich trafen die beiden Erwarteten zum verabredeten Zeitpunkt an. Ich genoss das Gefühl, sie zuzusagen als Einheimischer beim Ausbooten in Empfang zu nehmen. Die Freundin der Freundin war natürlich irritiert, dass ich lediglich Augen für die Eine hatte. Das 5. Rad am Wagen wollte sie nicht sein! Durch gemeinschaftliche Klärung der Situation war Apostoulos sichtlich irritiert, da er nun nicht wusste, wem eigentlich meine Sympathien galten. Die Tage wurden ausgefüllt mit einem Eselsritt zum Kloster Christos tou Dassou, Baden in Kameni, Wanderung über den byzantinischen Weges von Levkes und Prodromos, Besichtigung der Weinfabrik am Hafen. Apostoulos, mit weissen Shorts und offenem weißem Hemd führte uns, In diesem Outfit trafen wir ihn selbst in späteren Jahren immer wieder. Der Ritt auf den Eseln nach Dassou oberhalb von Aspries Mersini war spannend, da die Esel nicht auf der Mitte des von Mauern gesäumten Weges trabten, sondern unsere Beine ständig in gefährliche Nähe der rauhen Feldsteine brachten. Das geschnalzte "Na-psu-na" des Eselstreibers nützte da nicht viel, sondern einzig das resolute Abstossen mit den Füssen. Im Kloster bedienten sich die behosten Frauen der bereitliegenden weiten Stoffröcken, nur mit dieser schicklichen Verhüllung durfte die Kirche betreten werden.

Der Keim für viele Jahre Griechenlandfahrten war gelegt!

Geschrieben 26.07.2009, Geändert 28.07.2009, 3308 x gelesen.

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Kommentare zu diesem Artikel

Kommentar von Greecefreak vom 17.08.2009 13:18:58

Mein Wunsch wurde erhört:
www.in-greece.de/paros/foto/32367-octopu ssy-fuer-greecefreak


Kommentar von Greecefreak vom 12.08.2009 14:44:47

Würde zu gerne ein Foto sehen mit dem jungen Hippie-Xristo im Kampf mit dem Oktopus.
Vielleicht würde ja auch eine Skizze ausreichen ;-) grins
Ich hätte das Ding sicher fallengelassen & wäre schreiend davongelaufen.
M


Kommentar von AK4711 vom 11.08.2009 22:06:10

Hallo Katerina, ja genau : Titel des Buches: "Im Kielwasser des Odysseus" Du kennst es bestimmt. Gruss Naxote


Kommentar von Katerina vom 09.08.2009 21:45:09

Hallo Naxote, meinst du Göran Schildt?


Kommentar von AK4711 vom 08.08.2009 12:35:57

Hallo Xristo,
begeistert habe ich Deine Geschichte gelesen: Das muss doch absolutes Neuland gewesen sein! Erinnert hat mich Deine Geschichte an ein Lieblingsbuch von mir, in dem ein Skandinavier wenige Jahre nach dem Krieg die Ägäis(Mykonos,Naxos,Santorin, Kreta) durchsegelt hat und ebenfalls auf seine Weise Neuland "betreten" hat. Die Fotos des Autors von Santorin ähneln deinem Foto rechts oben.
Bedenkt man Deine Anreise und vergleicht man sie mit der heutigen Zeit, da erscheint es einem lächerlich zu erwähnen mal eine Nacht in Piräus "durchgemacht" zu haben, weil Lufthansa nachts in Athen gelandet ist.
Gruesse Jörg


Kommentar von martinpuc vom 07.08.2009 11:43:25

Hallo Chrísto -

Ja, es war Junta-Zeit, aber wir waren jung und trotz aller Ablehnung der politischen Zustände dennoch GR-begeistert - das kommt in Deinem Artikel doch auch zum Ausdruck.
Nach meiner ersten Ü in GR (nach Ankunft per Fernzug durch Jugoslawien gegen 2 Uhr nachts) mitten in Saloniki war mein allerstes bleibendes Erlebnis eine große Panzerparade des Generals Pattakos, direkt an unserem Hotel vorüber.

Martin


Kommentar von Xristo vom 30.07.2009 18:18:37

Hallo Martin, vergiss nicht bei aller Nostalgie - es war Junta-Zeit!!
Xristo


Kommentar von martinpuc vom 30.07.2009 13:54:45

Superschöne Bilder, die Du da entworfen hast, Xristo, und sehr schöne nostalgische Erinnerungen. Das Lesen hat mir wirklich Freude bereitet. Was für ein Geschenk, schon 1969 ins noch so "unverdorbene", jungfräuliche GR reisen gedurft zu haben. Wie anders es doch damals noch war!

Lieben Gruß
MartinPUC


Kommentar von O Amorgios vom 29.07.2009 20:28:25

Klasse Bericht, so viele Erinnerungen nach so langer Zeit.
Frank