Reiseziel auswählen



Reiseziel-Sponsoren Reiseziel-Sponsor werden

Auf der Insel Anafi

Von Ralf

Anafi war trotz seiner Kahlheit insgesamt noch schöner als ich es erwartet hatte. Im Laufe von 4 Tagen entdeckte ich nach u. nach das, was GR vor 15 od. 20 Jahren noch ausmachte. Man muss aber wissen, zu welcher Jahreszeit man kommen soll (Mai ist nicht schlecht, vorher wohl alles dicht), wohin man geht, wo man isst, kurz: wo es noch besser ist!

Nach 27 Std. auf den Beinen kam ich gegen 4:30 morgens auf der Insel an. Dusche. Ins Bett. Nach Bummeltag in Heraklion abends ex HER 20:00 an Bord der "El Greco". Sonnenuntergang. Vollmondnacht. Lichtkegel zu mir her. Unendlicher gleißender Lichtstrich am Horizont des Meeres. Wartezeit am nächtlich verschlafenen Hafen von Santorini (na ja, 2 Kafenia waren geöffnet, aber Wahnsinnspreise): 3 Std. Es warten noch drei andere Leute. Dann anderthalb Std. auf See. Endlich zwei kleine Lichter am Anleger. Unterkunft gleich im ersten Haus am kleinen Hafen von Anafi, Taverne "Popi". Sehr nette Leute. War auch die einzige zu dieser Zeit geöffnete Ü- und Essensmöglichkeit direkt am Hafen. Der rauschebärtige, äußerst nette Ari aus Berlin, Künstler im Ruhestand, wohnte neben mir. Einzige Gäste. Die anderen 10 oder 12 Touris (das wars!) wohnten entweder in nagelneuen (und recht zahlreichen!) Rooms oben in der wunderschönen weißen Chora oder 10 Gehminuten vom Hafen (Geröllpfad), um die Ecke, am Klissidhi-Beach, wo eine von drei Tavernen geöffnet hatte. Gutes Essen, Treff der Strandschläfer von weiter hinten (östlich) und der 4 bis 6 Gäste, die in hübschen weißen Kuben neben der Taverne wohnten. Viele Blumen. Palmen hinter dem tollen Sandstrand, zwei Zelte. Lieber Hund. Weiter östl. herrliche Sandstrände, auch ein sehr langer mit Schilfhütten von Robinsonen. Wandern von einem Strand zum nächsten.

Wandermöglichkeiten z. B. hinter zum Kloster Panagia Kalamiótissas zu Füßen des jäh ansteigenden riesigen doppelgipfligen Marmormonoliths (Kálamos). Weg ab etwa 1,5 km hinter der Klissidhi-Bucht zunächst für mich schwer zu finden, hatte nicht gefragt. Erst vorbei am Zaun des gewaltigen Grundbesitzes mit schlossähnlichem Gebäude eines Athener Arztes, steiler Anstieg, dann schöner Ausblick auf Gehöfte, auf die neue EU-Erdautobahn, die einmal das Kloster erreichen soll, so dass der Bauer per Muli auf der Autobahn fahren kann. Ging von Strand zu Strand, bergauf, bergab, im Schweiße meines Angesichts. Dann echt steiler Aufstieg. Kletterei, bis ich endlich auf den schönen Wanderpfad über der Küste stieß. Dauerte von Klissidhi aus zweieinviertel Std. bis zum Kloster, kam mir aber bei meinen Umwegen eher wie 5 Std. vor. Neben dem Kloster ein Gehöft. Zwei alte Leute. kläffender kleiner Hund. Riesige (u. wohl einzige auf der Insel) Ziegenherde. Der gute Käse in der Chora kommt von hier. 1 km unterhalb des Klosters, hinter dem Strand, Wasserstaubecken mit großen, reiherartigen Vögeln, von der Tochter meiner Tavernenwirte "Flamingos" genannt. Bizarr. Unerwartet. Aufgescheuchte Großvögel. Schilf. Auf dieser so extrakahlen Kyklade, fast ohne Ziegen (!). Sogar ein paar am Boden dahinkriechende Weinreben.

Uralter Muli-Plattenweg (30 min) vom Hafen (Agios Nikolaos) hinauf ins Dorf. Schweiß ... Taschenlampe für den nächtlichen Abstieg dabei. Daneben neue Teerstraße. Außerhalb des Ortes Tankstelle im Bau. Weitere breite Straße sowie viele Feldwege hinter ins unbekannte u. von Touristen nicht besuchte kahle, gebirgige Inselzentrum. Etwas zum Erkunden, next time.

Mystisches Erlebnis. Blicke beim Aperitvbier spätnachmittags von der Chora hinunter übers Meer. Nebelschwaden kommen. Riesiger weißer Viermaster, von den Bahamas, sagt man mir, kommt auch. Wird eingehüllt. Insel wird eingenebelt. Alles weiß: Meer, Insel, Himmel. Weißes, gleißendes Dorf wird selbst zur Insel. Steige hoch zur Kapelle auf der höchsten Spitze des Dorfes und bin vollkommen glücklich. Mulis, Esel riechen aus ihren Ställen, dort oben. Dumpfe Laute. Verborgene Bewegung.

Das "To Steki" in der Chora hatte wochenends mitreißende Nissiotika-Musik vom Band. Gut besucht, auch von den Einheimischen. Auch leckerer Chtapódhi (Tintenfisch) vom Grill! Meine spätere große Liebe aber: die Taverne von Agápi und ihrem Mann auf dem Weg weiter hinter ins Dorf, wirkt von außen eher wie ein Kafenío, linkerhand kurz vor anderer, besser als solche erkennbarer Taverne, ebenfalls direkt an der "Hauptgasse", einer ebenfalls nett wirkenden Frau (aber nie Gäste beim Abendessen). Meine Taverne hat einen seltsamen Namen, den ich mir nicht merken konnte. Als Untertitel steht aber der Name der Besitzerin drauf: "Agápia .....". Sie selbst nennt sich aber Agápi. Leckeres Kounéli (Kaninchen), wunderbarer Salat. Zunächst kretischer Rotwein. Dann: Willst du mal meinen Wein probieren? Selbstgemachter Weißer vom eigenen Grundstück weit hinter dem Dorf. Wunderbar! Höre, dass alles Gemüse aus dem eigenen (oasenhaften) Garten stammt. Sie will nichts aus der großen Stadt importieren. Das sei nicht bekömmlich. Früher hätten sie als erste hier Zimmer vermietet. Die Gäste wurden selbstverständlich kostenlos bewirtet! Jetzt keine Zimmer mehr. Dann war die Familie Betreiber des Inselbusus. 22 Fahrten pro Tag. Kaum Zeit für etwas anderes. Sehr anstrengend. Inselbus: Geht erst ab Juni, grob gesprochen. Der Fahrer weilte angeblich noch auswärts. Käme eventuell nächste Woche. Aber ich sah wenigstens den Bus brav geparkt. In Agapis Taverne auch tolle Aussichtsterrasse, die alten Männer und der Papás sitzen da bzw. kommen nach und nach. Ich unterhalte mich erst mit jungen Tirolern. Sie gehen. Es wird voller. Ich biete einem Schweizer Paar Platz an meinem Tisch an. Es stellt sich heraus: er veröffentlicht im gleichen Verlag (Pendo, Zürich) wie mein Freund Robert Lax, der Dichter auf Patmos. Schade, dass ich nicht länger bleibe.

Rückfahrt erst um 5:15 früh, relativ spät für diese Insel. Ein wenig länger schlafen. Nur 150 m zum Anleger. Vorteil des Übernachtens über Popis Taverne. Anderthalb Stunden auf See. Rückblicke, Vorausblicke. Ein ganzer Tag auf dem schrecklichen Santorini. Wanderung am Calderarand entlang. Eine Aneinanderreihung von Swimmingpools und Luxusunterkünften. Flüchte zum relativ nahen Campingplatz etwas östl. außerhalb des Hauptortes. Plötzlich Getreidefelder, Feigenbäume, kleine hübsche alte Häuschen. So wohltuend. Ein Getränk im "Self" des recht hübschen Campingplatzes (mit Pool). Busfahrt nach Perissa. Ewig kommt keiner der planmäßigen Busse zurück nach Fira. Vollgepackter Bus hinunter zum Hafen. Ich war aber rechtzeitig da. Täglich, sogar schon im Mai (!), ein doppelstöckiger "Flying Dolphin" (Tragflügelboot) HER-Santorini-HER (geht weiter bis Mykonos, Rafina, zweimal wöchentl. sogar ohne Umsteigen bis Amorgós, von HER, Kreta aus!). Ab HER stets um 7:00 Uhr morgens, zurück in HER gegen 21:00 bzw. 22:00 Uhr. Hart an der Grenze zur Seekrankheit. Zu hoher Wellengang. Gute Idee: Plötzlich wird kalte Frischluft durch den Raum geblasen. Die Rettung. Man darf leider nicht hinaus, hinten am Heck, wie sonst üblich. Furchtbare Wackel- und Folterpartie. No fun. Nach Möglichkeit nie mehr wieder! Nach 1:30 Std. endlich die Día-Insel vor HER. Nur noch 10 min. Endlich. Schnell in ein Hotel. Nicht einmal in mein gewohntes KASTRO, sondern ins viel lautere und etwas schäbige MARIN. 1 Ü.

Info

Dieser Text wurde von Martin aus M. geschrieben und uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Geschrieben 26.06.2000, Geändert 26.06.2000, 5273 x gelesen.

Was möchtest du?

Kommentare zu diesem Artikel

Kommentar von kokkinos vrachos vom 08.05.2015 11:43:42

jassas, superschöner Artikel von Martin. Auch 15 Jahre nach dem Artikel ist Anafi immer noch eine ruhige Insel abseits vom Massentourismus. Es hat sich seit dem (fast) nichts gerändert.

Wer eine kleine ursprüngliche und ruhige Kykladen-Insel abseits der „Großen“ wie Paros, Naxos... sucht, ist auf Anafi richtig.

Wie schrieb mir eine Bekannte aus dem Forum „Eine Insel zum Abschalten und runterkommen.“

gruß, kv